Leere Versprechungen!
Mit 8.000 zusätzlichen Pflegekräften möchte die künftige große Koalition den Pflegenotstand in Deutschland bekämpfen. Ein Versprechen, das vermutlich nichts kostet, denn diese Menschen existieren auf dem Arbeitsmarkt derzeit nicht.
Es ist der legendäre Tropfen auf den heißen Stein: 8.000 neue Stellen für Pflegekräfte verspricht der Koalitionsvertrag als Sofortprogramm, um dem Pflegenotstand in Deutschland zu begegnen. Diese neuen Stellen sollen in der Behandlungspflege entstehen, einer Krankenkassenleistung, die im Pflegeheim bisher – anders als in der ambulanten Pflege – nicht vergütet wurde.
Rein rechnerisch bekommt damit jede der 13.500 Pflegeeinrichtungen deutschlandweit nicht einmal eine Zweidrittelstelle zusätzlich. Vor allem aber löst es das eigentliche Problem nicht. Denn zum einen ist der Pflegesektor dramatisch unterfinanziert und zum anderen bleibt die Frage, wo die künftige Regierung diese neuen Pflegekräfte überhaupt rekrutieren möchte.
Mangel an zehntausenden Pflegekräften
Denn bereits ein flüchtiger Blick in die offiziellen Statistiken verdeutlicht: Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Aktuell liegt die Zahl der offenen Stellen in der Altenpflege laut der Bundesagentur für Arbeit bei rund 24.000. Rund ein halbes Jahr dauert es im Schnitt, bis eine Stelle wiederbesetzt ist – viel länger als in jeder anderen Branche. Die Folge: Die Zahl der Pflegeheime, die wegen Personalmangels zeitweise keine neuen Bewohner mehr aufnehmen, steigt. Zusätzliche 8.000 Pflegekräfte, soviel ist klar, stehen erst recht nicht zur Verfügung. Das Versprechen aus dem Koalitionsvertrags ist damit schlicht nicht zu halten.
Und die Lage spitzt sich weiter zu. Laut Statistischem Bundesamt und dem Bundesinstitut für Berufsbildung fehlen bereits im Jahr 2025 rund 200.000 ausgebildete Pflegekräfte (ambulant und stationär) – vorausgesetzt die Pflegewahrscheinlichkeiten und der Personalbedarf für Pflegebedürftige blieben unverändert. Doch selbst wenn sich die Pflegewahrscheinlichkeit mit steigender Lebenserwartung künftig nach hinten verschiebe, klaffe immer noch eine Lücke von 140.000 Fachkräften.
Unterfinanziert und unattraktiv
Es scheint, als ob sich der Bund systematisch aus der Pflege zurückzieht und die Verantwortung auf die Länder und die klammen Kommunen abwälzt. Warum er sich künftig in die Finanzierung der kommunalen Schul- und Kindergarten-Infrastruktur einbringt, bei den dramatischen Entwicklungen im Pflegesektor aber außen vor bleibt, ist kaum nachvollziehbar.
Und es ist nicht zuletzt die finanzielle und damit personelle Unterversorgung, die zu einer belastenden Berufsrealität für Pflegepersonal führt und angehende Fachkräfte bereits am Anfang entmutigt. Bis zu einem Drittel bricht entweder während der Ausbildung oder in den ersten drei Berufsjahren ab. Das mag auch an den erheblichen Anforderungen des theoretischen Ausbildungsteils liegen, meist jedoch an den frustrierenden Erfahrungen im Berufsalltag. Aktivierende Pflege zu leisten und therapeutische Fähigkeiten anzuwenden bleibt oft auf der Strecke, denn in der Berufsrealität verwandeln sich Pflegeheime immer mehr in Hospize.
Eines ist sicher: Der Bedarf an Pflegeplätzen nimmt mit dem demografischen Wandel in den kommenden Jahren erheblich zu. Jetzt benötigen wir dringend politisch ernst gemeinte, das bedeutet finanziell untermauerte Lösungen – und weniger leere, weil nicht einlösbare Versprechungen.