Übernahme eines Pflegebetriebs: Kein Kaufpreis gerechtfertigt?

Der Wert von Pflegeimmobilien steigt je nach Größe und baulichem Zustand langsam wieder an. Über diese Preise und ihre Entwicklung wird in der Branche gern und viel diskutiert. Aber wie sieht es bei den Transaktionen von Pflegebetrieben aus? Dabei kann es sich zum Beispiel um Unternehmen mit einem Jahresergebnis von 250.000 Euro und bis zu 120 Mitarbeitenden handeln. Welchen Wert hat ein solcher Pflegebetrieb?

 

Grundsätzlich gilt: Pflegebetriebe haben einen Unternehmenswert, wenn sie positive Zahlen schreiben. Für unwirtschaftlich arbeitende Gesellschaften kann dementsprechend auch kein Verkaufspreis erzielt werden, bzw. sie haben sogar einen „negativen Verkaufspreis“. Auf Betriebe, die sich in einem Insolvenzverfahren befinden – und deshalb im Fokus der Öffentlichkeit stehen – trifft das oftmals auch zu. Auf dem Markt befinden sich jedoch auch ganz andere, wirtschaftlich gut aufgestellte Unternehmen, die bis zu 7-stellige Kaufpreise wert sind. Lesen Sie hier, welche Kriterien darüber entscheiden, ob ein Kaufpreis gerechtfertigt ist und wie hoch er sein darf.

In welchen Fällen kann es zu einer kostenfreien Übernahme kommen?

„Wenn ein Betrieb eine sehr geringe Auslastung hat, Personal fehlt und Arbeitsabläufe nicht funktionieren, arbeitet auch ein etablierter Betrieb defizitär und fällt in eine Pre-Opening-Phase zurück“, erklärt TERRANUS-Geschäftsführerin Anja Sakwe Nakonji. Ein Übernehmer muss dann viel investieren, bis der Betrieb wieder den Break Even erreicht. „Zur Finanzierung von negativen Ergebnissen kommt die Bereitstellung von Management-Kapazitäten und vor allem Kosten für Personalakquise. Deshalb kann der Übernehmer hier zu Recht erwarten, nichts für den Betrieb bezahlen zu müssen – oder im Zweifel sogar noch einen Zuschuss vom Immobilieneigentümer zu erhalten.“

Ein Beispiel für einen negativen Betriebswert in Eckdaten

Struktur und Qualität:

  • Anzahl der Plätze < 50
  • Anteil an Einbettzimmern < 75%
  • Abgelegene Lage und/oder mangelnde Verkehrsanbindung
  • Instandhaltungsstau oder sanierungsbedürftige Immobilie
  • Qualitätsmängel in der Pflege, Belegungsstopp

Wirtschaftliche Situation:

  • Negatives Geschäftsergebnis
  • Belegung unter 40%
  • Hoher Anteil an Leasingkräften (über 5 Vollzeitkräfte pro 100 Bewohner)
  • Leitungsebene nicht mehr besetzt bzw. dysfunktional, keine funktionierende Prozess-Steuerung

Was sind die Merkmale für einen wirtschaftlich gut aufgestellten Betrieb?

Auf dem Markt befinden sich jedoch auch zahlreiche solide Unternehmen. Für einen nachhaltigen Betriebswert sprechen folgende Merkmale:

  • Geschäftsergebnis mindestens ausgeglichen
  • Auslastung von mindestens 80 %
  • Leitungsebene vollständig besetzt und gut eingearbeitet
  • Keine Qualitätsmängel: Es liegt entweder ein aktueller Prüfbericht mit positiver Bewertung vor und/oder der Betrieb verfügt über ein etabliertes internes Qualitätsmanagement-System
  • Leasingquote niedrig, z. B. max. 2 Vollzeitkräfte pro 100 Bewohner.
  • Pflegesätze werden regelmäßig verhandelt und sind auf dem aktuellen Stand

Wie wird der realistische Wert eines Pflegebetriebs ermittelt?

Für die Ermittlung eines Unternehmenswerts – das gilt für alle Branchen – gibt es drei gängige Methoden:

  1. Ertragswertmethode: Hier wird auf der Basis der in den drei zurückliegenden Jahren erwirtschafteten Gewinne eine Prognose für die kommenden drei Jahre erstellt. Der Durchschnitt aus diesen Beträgen bildet die Basis für die Berechnung. Entscheidend für die Wertermittlung sind dann ein Kapitalisierungszinssatz und ein Risikozuschlag, die als reduzierende Faktoren wirken: Der Durchschnittsertrag wird durch den aus Kapitalisierungszinssatz und Risikozuschlag addierten Prozentsatz geteilt.
  2. Multiplikatorenmethode: Auch hier wird ein Durchschnittswert aus dem Gewinn von sechs Geschäftsjahren, den vorangehenden zwei Jahren, dem voraussichtlichen Ergebnis im laufenden Jahr und dem prognostizierten der folgenden 3 Jahre ermittelt. Allerdings wird hier das Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern herangezogen (EBITDA = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization. Deutsch: Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände). Der Durchschnittswert wird dann mit einem Faktor, „Multiple“ multipliziert, der auf nachweisbaren Erfahrungswerten in der jeweiligen Branche basiert. Der Korridor realistischer Multiples für die Kaufpreisermittlung für Pflegeheime liegt zwischen dem 4- und 8-fachen des EBITDA, bei Einzelgesellschaften auch darunter. Das ist allerdings nur eine Faustregel. Welcher Faktor angesetzt wird, hängt wiederum davon ab, inwieweit die oben genannten Kriterien von guter Auslastung bis adäquater Pflegesätze erfüllt sind.
  3. Substanzwertverfahren: Dieses Verfahren wird in der Regel nur im Falle einer Insolvenz genutzt. Es wird der aktuelle Wert sämtlicher Vermögensgegenstände ermittelt und mit den bestehenden Verbindlichkeiten verrechnet.

Wie sind diese Methoden zu bewerten? „Die Ertragswertmethode ist sehr aufwändig und bietet am Ende doch nur eine Scheingenauigkeit, da der Kapitalisierungszins und insbesondere der Risikozuschlag auf der Vorhersage künftiger Entwicklungen beruhen. Die sind immer spekulativ, und manchmal sogar völlig aus der Luft gegriffen“, erklärt Anja Sakwe Nakonji. „Wir von TERRANUS arbeiten deshalb in unseren Mandaten mit der Multiplikatorenmethode, sie beruht auf Erfahrungen und Daten der Branche.“

Voraussetzung für ein angemessenes Ergebnis ist in jedem Fall, dass das den Berechnungen zugrunde liegende Betriebsergebnis differenziert betrachtet wird. Folgende Aspekte können dabei eine Rolle spielen:

  • Gab es zum Beispiel innerhalb der letzten Jahre Sondereffekte wie zum Beispiel staatliche Zuschüsse wie Corona-Hilfen oder andererseits außergewöhnlich Ausgaben?
  • Auch die vorhandene Gehaltsstruktur kann das Geschäftsergebnis verzerren. Überhöhte Abgaben an zentrale Organisationseinheiten, die ein Übernehmer nicht fortzahlen muss, können den Gewinn geschmälert haben. Umgekehrt ist mangelnde Tariftreue in der jüngeren Vergangenheit eine Zeitbombe. Wenn der Nachfolger kurzfristig deutliche Lohnerhöhungen gewähren muss, sieht sein Gewinn dann plötzlich viel kleiner aus.
  • Ein weiteres absehbares potenzielles Risiko kann in der Personalstruktur liegen: Wird die Fachkraftquote erfüllt? Sind am Standort genug Fachkräfte zu bekommen? Oder müssen diese erst teuer und aufwändig angeworben werden?

Eine differenzierte Betrachtung lohnt sich!

Weist das Geschäftsergebnis in der jüngeren Vergangenheit Verluste auf, lohnt es sich, genau hinzuschauen, was die Gründe dafür waren – und was der Verkäufer in der Zwischenzeit schon unternommen hat, um die Probleme zu beheben. Beispiel Ursache Belegungsstopp wegen Qualitätsmängeln: Hat der Voreigentümer vielleicht noch in den letzten Monaten eine neue Qualitätsmanagerin eingestellt und hat die Heimaufsicht den Belegungsstopp schon wieder aufgehoben? Dann wäre der Wert des Betriebes trotz negativem Geschäftsergebnis höher anzusetzen.

Bei der Bewertung eines Betriebs muss auch der Wert des Personals berücksichtigt werden. Anja Sakwe Nakonji: „Rechnet man branchenübliche Recruitingkosten wie Kosten für Stellenausschreibungen, Vermittlungsgebühren, Anwerbe- oder Willkommensprämien zusammen, ist man schnell bei ca. 6000 Euro. Diese Investition bleibt dem Übernehmer für jede einzelne Fachkraft erspart.“

Tipp für Verkäufer: Jeder Betrieb hat individuelle Qualitäten. Stellen Sie in den Verhandlungen die Attraktivität Ihrer Einrichtung heraus. Wer ein gutes Produkt hat, darf selbstbewusst sein!

Ratschlag für Betreiber, die expandieren wollen: Im Vergleich zu einer Neugründung ist eine Übernahme, selbst bei einem reduzierten Betrieb, immer noch leichter zu bewältigen, geht schneller und kostet weniger Management-Kapazität.

So können wir Sie unterstützen

Sie wollen eine Einrichtung, die nicht mehr in Ihr Konzept passt, abgeben? Oder Sie wollen expandieren und suchen geeignete Betriebe? Jeder Einzelfall muss differenziert betrachtet werden: Wir von TERRANUS kennen aufgrund unserer 25-jährigen Markterfahrung alle Fallstricke. Wir beraten Sie bei der Bewertung von Betrieben, bereiten den Verkauf vor und begleiten den Prozess. Haben Sie Fragen dazu? Dann sprechen Sie uns einfach gern an!

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